Das Kulturnetzwerk Osthofen hatte bei der Sanierung des Rathauses beratende Tätigkeit. Insbesondere bei der Recherche nach historischen Plänen und der Wiederentdeckung einer 1738 in den Grundstein gelegten „Schatzkiste“ konnten wir behilflich sein.

 

Recherchen zur Erbauung des Alten Rathauses

Auszug aus der Chronik von Johann Weißheimer II. (1797-1883), Band 1: Geschichtliche Nachrichten über Osthofen, S.551, Recherche Thomas Goller (2013)

1738. Erbauung des Gemeindehauses

Das höchste Bedürfnis für die Gemeinde war einneues Gemeindehaus, welches seit dem großen Brand von 1621, folglich seit 117 Jahren fehlte. Die Gemeinde hatte deshalb seit längerer Zeit ihren Platz und Ruine des alten Rathhauses von den Lutheranern zurückverlangt und bei ihrer Weigerung den Prozeß begonnen, welcher seit den [17]20er Jahren schwebte und 1737 zum Vortheil der Lutheraner entschieden worden.

Die Gemeinde hatte zwar beschlossen, ihr Rathhaus neben das alte oder jetzige Kirche der Lutheraner auf den Kirchweihplatz zu erbauen und wollte wenigstens den alten stehengebliebenen Rathhausthurm, welcher bisher dachlos gestanden, dazu verwenden. Die Lutheraner aber behaupteten, der Thurm gehöre jetzt zu ihrer Kirche. Der Prozeß wurde jetzt des Thurmes wegen sehr eifrig betrieben und die Erbitterung von beiden Theilen war sehr hoch gestiegen.

Der Inspektor Saladin sagt in den Protokollen des reformierten Consistoriums (=Kirchenversammlung, T.G.): „1738, den 7. Mai ist Bettag gehalten worden; nach der Predigt sind nicht nur die Aeltesten, sondern auch etliche aus der Gemeinde wie auch von den Katholiken dahier, als Herr Jacob Dannfald, Unterfauth, Paul Neuhof und Johannes Straub in dem Inspektionshauß zusammen berufen worden, um über den Prozeß gegen die Lutheraner wegen des Rathhausbaues zu berathen. Dieser lange Prozeß sei von hoher Regierung zu Gunsten der Lutheraner, weil sie zur Zeit des badischen Friedensschlusses in Pohsehsion [= im Besitz, T.G.] der alten Rathhausruine gewesen, entschieden worden. Die Lutheraner verlangen nun auch noch den Rathhausthurm. Die Entscheidung sei sowohl dem Kirchenrath als auch dem Oberamt [Alzey,T.G.] mitgetheilt worden, welche dem Inspektor zugesandt worden mit beigefügtem Befehl, darüber ehebaldigst umständlich und zuverlässig zu berichten. Daher obengenannte citiret und in ihrem Beisein ein Protokoll darüber geführt, von ihnen unterschrieben, und am 12ten Mai durch Herrn Unterfauthen und dem diesjährigen reformierten Aeltesten Wilhelm Christophel Merzig samt einem umständlichen Bericht zum Krichenrath eingesandt worden.“

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Fortsetzung der Streitigkeiten mit den Lutheranern

Aus den Protokollen des reformierten Consitoriums 1738. „Am 11ten Juni hatte der Bettag welcher in der vorgehenden Woche nicht konnte gehalten werden, zwar heute sollen gehalten werden, ist aber diesmal nicht mit einer Predigt gefeiert, sondern nur Betstunde gehalten worden und zwar darumb: während die Reformierten und Katholiken eben in der Kirche waren, hingen die Lutheraner ihr Glöcklein in den alten Rathhaußthurm, daher der Inspektor der eben auf die Kanzel gehen wollte um die Predigt zu halten, ersucht wurde statt derselben nur Betstunde zu halten, damit die Gemeinde könne versammelt und von ihr könne protestirt werden. Wie dann sogleich nach beendigter Betstunde hinzu durch die zwei gewöhnliche Zeichen die Gemeinde zusammen berufen ward, das aufgehangene Glöcklein von den Reformierten und Katholiken wieder herabgenommen, der Glockenstuhl abgebrochen, jene in ihr Kirchlein gestellt, und dieser neben den Thurm zusammen gelegt worden. Unterzeichnet: Saladin, Inspektor.


Nun wurde der Prozess nochmals mit großem Eifer fortgeführt, er handelte sich jetzt nur noch um den Thurm. In der Gemeinderechnung findet sich, daß der Unterfauth, Wilhelm Christoph Merzig und Georg Bastian miteinander sechs Tage zu Mannheim und Heidelberg wegen des Rathhausstreites zugebracht, dann hielte sich Georg Kleinschmidt und Conrad Meloth eben so lange dort auf „wegen des Thurmstreites“. Der Herz[ogliche] Regierungsrath und hochwohlgeborene Landschreiber Koch erhielten 20 fl. [=Florentiner Gulden, T.G.] wegenGehabter Commission des Thurmes- und Rathhausstreites. Johannes Kleinschmidt brachte deshalb zu Mannheim 5 Tage zu, später Matthäus Kaiser 3 Tag, Wilhelm Christoph Merzig 20 ½ Tage zu Mannheim und Heidelberg. Der Oberfauth Bestlen erhielt für eine zweite Commission wegen des Thurmstreites 11 Gulden.

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Alle Bemühungen aber waren vergebens, der Prozeß wurde zum Vortheil der Lutheraner entschieden, welche auch den Thurm behalten durften. Die Civilgemeinde wurde gezwungen den Thurm abzutretten und mußte am 27ten Juni den Amtsknecht Schabereck 13 Gulden 20 Kreuzer bezahlen für seine 8-tägige Execution von den Herren Lutheraner dazu veranlaßt worden.“ Auch mußte die Gemeinde das lutherische Glöcklein auf ihre Kosten wieder in den Thurm hängen lassen.

Der Bau des Gemeindehauses wurde nun fortgesetzt, in den Grundstein wurde folgende Schrift niedergelegt:

„1738, 28. Juli. Nachdem vor dem badischen Friedensschluß die in vorigen Kriegen verfallen gewesene steinerne Zarche (=Zarge, Einfassung/hier im Sinne von Grundmauern, T.G.), worauf vor Zeiten das allhiesige Rathaus gestanden, denen allhiesigen lutherischen Inwohnern durch vorhin gewesene Gerichts- und Gemeindeleute zu Haltung ihres Gottesdienstes, bittweise zu überbauen erlaubet worden, sie solches auch mit einem Dachwerk überbauet und benutzt haben, so hat zwar hiesige Gemeinde verschiedentlich solche Rudera [=Überreste, T.G.] reclamirt, und selbsten verbauen und wiederum zu einem Rathhaus optiren wollen; dieweilen aber sowohl von hochlöblicher Regierungscommission als churfürstlicher hoher Regierung nach geführten starken und kostbaren Prozessen die Gemeinde abgewiesen und die Evangelisch-Lutherischen sowohl bei der Pohsehsion manutenirt [?] worden, weil sie solche Zarch zur Zeit des Badischen Friedensschlusses inne gehabt und genossen hätten, folglich sich solchen Friedensschlusses und darinn enthaltenen uti pohsidetis bedient haben, so ist die Gemeinde genöthigt gewesen zur Ersparung des bis dahero bezahlten jährlichen Rathhauszinses, sich dahin zu resolviren, daß dieselbe auf dem neben dem alten Rathhause gelegenen Gemeindeplatz gegenwärtiges Rathhaus von Grund, mittelst Aufnehmen Geldes auf die Schafweide und andere Kapitalien, neu zu erbauen. Zu dem Ende ist dann der erste Stein gelegt worden, und folgende Inspektion auf Pergament geschrieben in einem eichenen Kästchen verwahret, an dem vordersten Eck gegen die Straße, gegen die Straße, gegen Juden Jachil’s und Jacob Willen Haus unter den zweiten Quaderstein von unten heraufgelegt“…

Die Arbeiten an dem Gemeindehauß hatten übernommen die beiden hiesige Maurermeister Conrad Gieß und Martin Trigkwalter, der Erste, reformiert, war aus Hungen, und hatte 1722 die Tochter des Peter Kaiser hier geheirathet, der zweite, katholisch, war aus Tirol gebürtig.

An Ausgaben für diesen Bau sind in den Gemeinderechnungen 1720 Gulden angeführt, eine geringe Summe, wobei aber nicht zu vergessen, daß kein Fuhrlohn und Handarbeit angegeben, weil solche Arbeiten alle in der Frohnde geleistet worden. Zur Ausführung wurde bei dem Domstift zu Worms auch ein Kapital von 800 Gulden aufgenommen. Die Steine zur Treppe kosteten 88 Gulden, diese war in der nach dem Weißen Roß [heute Platz an der Kleinen Kirche T.G.] angebracht führte im Freien von außen nach dem zweiten Stock, später wurde sie in das innere des Hauses versetzt. Der Eingang wurde erst 1824 von der Hauptstraße aus gerichtet. – Die blecherne Wetterfahnen hatte 7 Gulden 40 Kreuzer gekostet und für den Strauß den des Unterfauthen Tochter beim Auffschlagen getragen, wurde 40 Kreuzer verausgabt.
Im Erdgeschoß waren in der Richtung nach Westhofen zu ein Zimmer für den Gerichtsdiener und eine Wachtstube, nach der Hauptstraße hin die Betzenkammer, an dem übrigen Raum nach der Kirche hin, stand die Feuerspritze.


Gemeinde-Vorsteher waren 1738 Johannes Kaiser, Philipp Jacob Dechen, Jacob Straub und Caspar Schmitt

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